
Jonas Deichmann: “Jeder kann eine Alpenüberquerung machen!”
“Was hat er eigentlich noch nicht gemacht?”, fragt man sich beim Lesen von Jonas Deichmanns Vita. Der Extremsportler machte sich in den letzten Jahren immer wieder zu beeindruckenden Abenteuern auf, die zuvor noch niemand gewagt hatte.
Der 35-jährige gebürtige Stuttgarter hat dabei inzwischen zahlreiche Weltrekorde aufgestellt, sei es die Herausforderung, in 97 Tagen mit dem Rad von Alaska bis Feuerland zu fahren oder in 72 Tagen vom Nordkap bis ans Kap der Guten Hoffnung. Vor allem aber Jonas Deichmanns über 430 Tage hinweg absolvierter Triathlon um die Welt und der ihm vorausgegangene Triathlon rund um Deutschland haben die Menschen bewegt und für viel Aufmerksamkeit gesorgt.
In “Das Limit bin nur ich”, das als Taschenbuch* und auch als Bildband* beim Gräfe und Unzer Verlag erschienen ist, berichtete er bereits von seinen mitreißenden Erlebnissen beim Mammutvorhaben Triathlon um die Welt. Aus dem Buch stammen auch einige der hier gezeigten Fotos.
Wir wollten noch mehr aus erster Hand von ihm erfahren und haben Jonas getroffen, um ihm die Fragen zu stellen, die uns unter den Nägeln brannten – und im Interview Tipps vom Profi für eigene Abenteuer einzuholen.
“Herausforderungen machen Abenteuer doch erst aus”, sagt der Extremsportler
GREEN ADVENTURES: Hi, Jonas! Erst einmal Respekt für das, was du bisher schon alles geschafft hast – das beeindruckt uns wirklich sehr. Nimm uns doch gedanklich gern noch einmal mit zu der ersten Etappe deines Triathlons um die Welt, der Alpenüberquerung: Wie hat sich der allererste Tag deiner Reise für dich angefühlt? Woran hast du gedacht und warst du aufgeregt?
Jonas Deichmann: Hallo und vielen Dank euch! Also für mich ist das Losfahren immer das Schönste an einem solchen Projekt – nicht das Ankommen, wie man vielleicht annehmen könnte . Einfach, weil es im Vorfeld immer extrem viele Zweifler und sehr viel Negativität gibt – von Triathleten und Schwimmern, die sagen: “Wie soll das denn jetzt funktionieren?” Ich muss trotzdem fest daran glauben: Es geht. Wenn ich dann losgefahren bin, ist das unglaublich befreiend. Zu denken: Jetzt geht es plötzlich um die Welt und das schaffe ich auch irgendwie! Gleich am zweiten Tag nahm ich dann den Weg über die Alpen, mit Dauerregen und Schneefall – nicht wie erwartet. Aber genau das macht das Abenteuer ja auch aus: wenn man gleich am Anfang die erste Herausforderung bewältigen muss. Ich hab das einfach nur genossen.
Was Jonas Deichmann Anfänger:innen empfiehlt
GREEN ADVENTURES: Um etwas besser zu verstehen, welche Kondition und Vorbereitung es dafür braucht: Wie kann man sich das vorstellen? Sprich, ich als Hobby-Radfahrer:in möchte selbst eine Alpenüberquerung machen – geht das überhaupt einfach so? Oder muss ich dafür ganz speziell trainieren?
Jonas Deichmann: Es gibt verschiedene Routen für eine Alpenüberquerung. Man kann über den Brenner fahren, was ziemlich einfach ist – die Straße, die da hoch führt, ist relativ flach. Oder man sucht sich eine schwierigere, aber schönere Route aus, wovon ich natürlich ein großer Fan bin. Selbst mit normalem Rad, also ohne E-Bike, kann wirklich jeder die Alpen überqueren! Wenn man davor ein paar Wochen trainiert, umso besser. Aber man sollte sich davon nicht einschüchtern lassen. Jeder, der auch nur ansatzweise Fahrrad fährt, kann es schaffen.
GREEN ADVENTURES: Hast du eine Tour für uns parat, die noch schöner ist als den Brenner hoch – aber gleichzeitig keine allzu große Herausforderung?
Jonas Deichmann (denkt länger nach): Ich bin ein ganz großer Fan von Südtirol, von den Dolomiten und den französischen Alpen. Das ist dann aber doch schon etwas anspruchsvoller. Von Deutschland aus gibt es natürlich auch leichte Routen über die Alpen: Man fährt dann über kleine Wege, zum Beispiel von Oberstdorf oder vom Tegernsee aus, wo man kleine Pässchen nimmt, bis man ins Haupttal kommt. Überquert man dann den Pass, ist man auch schon drüben.
GREEN ADVENTURES: Wie viele Kilometer waren das eigentlich seinerzeit bei dir von Deutschland bis nach Österreich und wie lange hast du dafür gebraucht?
Jonas Deichmann: Das waren so sechzig, siebzig, höchstens achtzig Kilometer. Das ist nicht weit. Dann ging’s durch Österreich, wo es ja bereits die erste Routenänderung gab – wegen Corona durfte ich damals nur 24 Stunden in Tirol sein und der Großglockner war aufgrund des Schneefalls schon gesperrt. Also haben wir (Jonas und sein Fotograf Markus Weinberg, Anm. d. Red.) last minute die Route angepasst. Ich glaube, bis nach Slowenien habe ich drei Tage gebraucht.
“Das Fahrrad ist das perfekte Fortbewegungsmittel, um die Natur wahrzunehmen”
GREEN ADVENTURES: Gab es vielleicht etwas am Wegesrand, was du besonders interessant oder schön fandest, was dich beeindruckt hat?
Jonas Deichmann: Hauptsächlich die Berge. Ich liebe auch das Meer oder die Wüste, aber am schönsten sind für mich immer die Berge. Je höher, desto spektakulärer sind sie. Wenn ich einen Pass hochfahre und oben auf 2.000 Metern Höhe sehe, wie sich die Landschaft unter mir verändert, das ist unbeschreiblich. Die Berge sehen jedes Mal und zu jeder Jahreszeit anders aus, generell ist jeder Berg einzigartig und das ist wunderschön.
GREEN ADVENTURES: Wie viel bekommst du denn überhaupt davon mit, wenn du auf dem Rad sitzt? Gerade wenn es anspruchsvoller wird, beispielsweise bei Bergetappen. Hast du da auch noch den Blick für die kleinen Dinge?
Jonas Deichmann: Ja. Ich nehme alles wahr. Auch, wenn ich mal zügiger fahre, ist es nicht so, dass ich am Anschlag bin. Gerade wenn ich einen Berg hochfahre, habe ich nur ein Tempo von 10, vielleicht 15 km/h.
Das ist eine Geschwindigkeit, bei der man sich wunderbar umschauen und die Aussicht genießen kann.
Man nimmt sie auch noch viel intensiver wahr als mit dem Motorrad oder dem Auto, man befindet sich ja mitten in der Natur. Für mich ist das Fahrrad deshalb das perfekte Fortbewegungsmittel, um Dinge wahrzunehmen.

Jonas Deichmann über außergewöhnliche Übernachtungsplätze
GREEN ADVENTURES: Lass uns doch mal eine kleine Zeitreise machen zu deinem Deutschland-Triathlon im Sommer 2020, der liegt ja jetzt schon eine ganze Weile zurück. Kannst du dich da auf Lieblingsetappen festlegen? Also wo bist du am liebsten geschwommen, wo Rad gefahren und wo gelaufen?
Jonas Deichmann: Geschwommen bin ich ja letztendlich nur im Bodensee. Auch hier war das Schönste eigentlich das Losschwimmen: Man hat die Alpen im Hintergrund und schwimmt die Küste entlang, das ist toll.
GREEN ADVENTURES: Wie viel Zeit hast du dafür gebraucht?
Jonas Deichmann: Ich glaube, ich bin fünf Tage lang geschwommen.
GREEN ADVENTURES: Und wie, beziehungsweise wo hast du da übernachtet?
Jonas Deichmann: Ich bin meine 12, 13 Kilometer geschwommen, mit dem Floß im Schlepptau, dann abends rüber ans Ufer geschwommen und habe an verschiedenen Orten übernachtet.
GREEN ADVENTURES: Wusstest du vorher schon, wo das sein würde?
Jonas Deichmann: Nein. Oft war das auch gar nicht so einfach, weil fast alles bebaut ist. Ich musste also eine kleine Halbinsel oder Ähnliches finden. Dazu gibt es auch eine kuriose Geschichte: Meinen schönsten Übernachtungsplatz hatte ich am ersten Tag. Da war ich gerade kurz vor Kressbronn und habe bemerkt, dass ein Unwetter aufzieht. Ich war mitten im See zu dem Zeitpunkt. Plötzlich ruft jemand hinter mir: “Ach Jonas, hallo!” Das war der Biathlet Markus Reithofer, den ich damals gar nicht kannte. Er folgt mir auf Instagram. Er stand in dem Moment auf einem Stand-Up-Paddle-Board und hat mich einfach zu sich nach Hause eingeladen.

Radfahren rund um Deutschland: Jonas’ Highlights während des Triathlons
GREEN ADVENTURES: Das ist ja eine schöne Überraschung! Und was war beim Fahrradfahren dein persönliches Highlight?
Jonas Deichmann: Ganz klar das Erzgebirge, mit den Bergen, den kleinen Straßen und der tschechischen Grenze: richtig toll. Aber ich finde auch Mecklenburg-Vorpommern sehr schön. Gerade hier in Süddeutschland (Jonas Deichmanns Heimat, Anm. d. Red.) wohnen halt sehr, sehr viele Leute. Hier ist immer viel Verkehr, immer viel los. Und in Mecklenburg-Vorpommern ist im Vergleich einfach nichts!
GREEN ADVENTURES: Warst du vorher noch nicht so viel dort unterwegs?
Jonas Deichmann: Nein, ich kannte Mecklenburg-Vorpommern noch nicht. Aber es war wie gesagt richtig schön.

GREEN ADVENTURES: Gab es in Mecklenburg-Vorpommern vielleicht Orte, die dir ganz besonders in Erinnerung geblieben sind? Wahrscheinlich auch die schönen Seen dort, oder?
Jonas Deichmann: Ja, wobei ich natürlich auch immer an der Küste entlang gefahren bin. Also waren es vor allem die Strände, die Küsten. Da gibt es gar nicht so den einen Ort, an dem ich gesagt habe: “Das war jetzt der Wow-Moment”, sondern es ist einfach alles schön, wenn man da durchfährt.
Die Trailrunning-Höhepunkte des Extremsportlers in Deutschland
GREEN ADVENTURES: Wie sah es bei deinen Laufstrecken aus, stach da etwas besonders für dich hervor?
Jonas Deichmann: Auf jeden Fall die Voralpen. Das war schon das Highlight für mich. Da läuft man von Berchtesgaden aus Richtung Lindau über kleine Trails hoch und runter – das war landschaftlich wirklich der schönste Abschnitt.
GREEN ADVENTURES: An welchen Orten, Sehenswürdigkeiten oder Städten kamst du währenddessen vorbei und hast dir vielleicht gedacht “Ach, hier würde ich eigentlich ganz gerne ein bisschen länger bleiben”?

Jonas Deichmann: Insgesamt die ganze Strecke entlang der Alpen – die war mir zwar nicht neu, weil ich ja in München gewohnt habe und jeden Berg vom Trailrunning kenne, aber ich bleibe dabei, dass für mich die Gegend südlich vom Tegernsee und rund um den Schliersee die schönste ist. Das ist einfach eine ganz tolle Natur da. Da entlang zu rennen, war mein Highlight. Vor allen Dingen die kleinen Trails immer wieder hoch und runter, hoch und runter zu laufen.
Eine super schöne Gegend ist auch das Suttengebiet südlich vom Tegernsee. Wirklich ganz, ganz toll, um zu laufen.
“Ich habe Deutschland von einer ganz anderen Seite kennengelernt”
GREEN ADVENTURES: Wie hat es sich zu Beginn deiner Deutschlandumrundung für dich angefühlt , die eigene Heimat auf diese Weise zu entdecken? Und gab es vielleicht einen Moment, in dem die Anfangseuphorie ein bisschen abebbte oder ist sie bei so einem Abenteuer die ganze Zeit über vorhanden?
Jonas Deichmann: Die hat mich schon komplett getragen. Ich bin zwar schon in über hundert Ländern gewesen, aber in Deutschland kannte ich viele Gegenden noch nicht. Man macht halt nicht so oft Urlaub in Deutschland. Wer reisen will, geht in der Regel ins Ausland – so ist das bei den meisten Leuten. Durch meinen Triathlon habe ich Deutschland noch mal von einer ganz anderen Seite kennengelernt und muss sagen, dass es auch hier wunderschöne Ecken gibt.
Für mich war das auch eine Entdeckungsreise, genau wie die Tour einmal um die Welt. Die Reise war außerdem meine Vorbereitung für den Triathlon um die Welt, daher ist die Euphorie einfach nie weggegangen. Es war einfach ein tolles Projekt.

“Das Schöne an Mikro-Abenteuern: Sie sind in ganz Deutschland möglich”
GREEN ADVENTURES: Welche Etappen würdest du denn Nicht-Extremsportler:innen empfehlen, die vielleicht gern mal an ihre Grenzen gehen wollen? Wo würdest du die für die unterschiedlichen Disziplinen hin schicken?
Jonas Deichmann: Das kann man in ganz Deutschland machen. Das ist ja das Schöne an den Mikro-Abenteuern. Man muss nicht um die Welt reisen und auch nicht ganz Deutschland durchqueren, sondern man kann das einfach vor der Haustür machen – ganz egal, wo man ist. Was speziell das Schwimmen angeht, würde ich sagen: Der Bodensee ist vielleicht nicht einmal der beste See dafür, weil es da einfach viel Bootsverkehr gibt. Dafür haben besonders die östlichen Teile Deutschlands, zum Beispiel Mecklenburg-Vorpommern, ganz viele wunderschöne Seen. Prinzipiell eignet sich aber jeder See, um mit einem Triathlon anzufangen.
Jonas Deichmann: “Ich finde die Idee schön, ein Ziel zu haben”
GREEN ADVENTURES: Sich vom einen zum anderen Ufer zu hangeln, also einfach dieses Ziel zu haben, hilft wahrscheinlich auch dabei, wenn man das erste Mal eine lange Distanz schwimmen möchte, oder?
Jonas Deichmann: Ja, auf jeden Fall. Aber auch beim Radeln finde ich die Idee, ein Ziel zu haben, immer schön. Dass man zum Beispiel sagt: “Meine Eltern, mein Bruder, meine Großmutter, mein Freund, die wohnen nun mal etwas weiter weg. Aber dann radel ich eben da hin.” Seien es 150 Kilometer, 250 oder 400. Dann hat man auch eine Belohnung, weil man am Ziel jemanden trifft, auf den man sich freut. Wenn man möchte, radelt man auch wieder zurück – und wenn nicht, nimmt man halt den Zug.
GREEN ADVENTURES: Und man wird bestimmt sehr gut bekocht, weil sich sofort alle freuen…
Jonas Deichmann: Ja, genau (lacht)! Man darf vor so einer Tour auch einfach keine Angst haben, man muss es einfach machen! Das ist überhaupt kein Problem.
Dieses Interview ist im Zusammenhang mit dem Buch “Das Limit bin nur ich”* entstanden.

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