Winterwandern im Allgäu auf den Piesenkopf
Allgäuer Alpen
Zuletzt aktualisiert: 1. Juni 2021

Highlights:
- Weltabgeschiedener Winkel des Oberallgäus
- Rohrmooser Kapelle, eine der ältesten in Deutschland
- Das »Jüngste Gericht« mit fantasievollen Teufelsgestalten
In einem der wald- und wildreichsten sowie besonders während der Wintermonate stillsten Winkel des Oberallgäus verkörpert der Piesenkopf (1629 m) ein flussgeografisches Kuriosum. Er sitzt groß und breit genau auf der Europäischen Hauptwasserscheide Rhein – Donau. Während die ost- und südostseitig abfließenden Quellwasser über die Rohrmooser Starzlach und die Iller der Donau zuströmen, nähren die nordseitigen Wasseradern die Bolgenach und die west- bis südwestseitigen den Achbach oder Schönbach, später die Subersach und strömen somit gemeinsam über die Bregenzerach dem Rhein zu.
Wandern in den Alpen wie in den Rocky Mountains

Und noch eine weitere Besonderheit hat euer Bergziel aufzuweisen, das im Übrigen wegen der sanft geneigten Waldhänge mit Schneeschuhen mehr Sinn macht als mit Skiern. Von keinem anderen Weg aus lässt sich die atemberaubende Architektur der Unteren Gottesackerwände so gut studieren wie während des gemächlichen Aufstiegs zum Piesenkopf. Die Ausstrahlung dieser überdimensionalen Felsbastion – fast wie eine Szene aus den kanadischen Rocky Mountains – lässt einen nicht so schnell wieder los.
Wer die Piesenkapelle besuchen möchte, sollte sich nicht von einem scheinbar leichten direkten Schlussaufstieg zum Gipfel verleiten lassen. Dieser überrascht mit einer unangenehmen Muldenquerung. Erwähnenswert ist auch die hölzerne Rohrmooser Kapelle aus dem Jahr 1587, eine der ältesten Deutschlands. Besonders originell erscheint das »Jüngste Gericht« mit seinen fantasievollen Teufelsgestalten, die jeden, der sich auf dem falschen Weg befindet, recht eindringlich warnen.
Die Wanderung startet in Rohrmoos
Wenn man im Hochwinter schon frühmorgens in Rohrmoos startet, kommt auf dem nahezu flachen, durch das schattig-frostige Hochtal zum Hörnlepass führenden Forststräßchen erst mal keine so richtige Stimmung auf. Zu klamm fühlen sich hier in über 1000 Meter Höhe die Extremitäten an, als dass man sich vorbehaltlos an der noch überraschend unberührten Bergnatur groß erfreuen könnte. Im sogenannten Bärenloch weist die Beschilderung »Piesen Alpe« auf einen Alpweg. Durch den Wald hinauf zum quellenreichen Sperberwinkel kommt der Frühsportler dann doch allmählich auf Betriebstemperatur. Die unterschiedlich steile, aber stets angenehm steigende Fahrbahn ist im unteren Bereich gelegentlich geräumt.
Die lang gezogene Felsmauer der Unteren Gottesackerwände riegelt als dramatischer Abbruch des Gottesackerplateaus mit einem schönen Faltenwurf den Talzug nach Süden hin ab. Zwei Abzweigungen rechts bleiben unberücksichtigt. Erst an der Gabelung auf 1300 m Höhe, wo es im Eubelewald (auch Aibelewald) geradeaus in ein Winter-Sperrgebiet geht, schwenkt ihr rechts auf eine gut erkennbare Wegtrasse ab. Spätestens hier seht ihr euch gezwungen, die Schneeschuhe anzulegen. Der Fahrweg biegt nun endlich in nordöstliche Richtung um. Nach einem Erholungsstück und ein paar letzten Windungen ist die Neue Piesenalp, 1455 m, erreicht. Nun verstecken sich auch die durch eine Scharte geteilten Oberen Gottesackerwände nicht länger.
Am Ende der Tour wartet die Aussicht auf die Hochalpen

Der angenehmste Gipfelaufstieg verlangt jetzt erst mal einen ausholenden Bogen. Flach legt ihr deshalb unter der Piesenkapelle vorbei eine Spur über die jungfräulichen, sanft geneigten Südhänge des Piesenkopfs hinüber zu einem Viehstall. Von dort sind es nur noch ein paar Minuten zu einem unbedeutenden Sattel. Weiter geht es daraufhin rechts zum Ansatz des erst noch harmlosen, im weiteren Verlauf deutlich aufschwingenden, mit einzelnen Fichten bestockten Südwestrückens. Dieser zwingt euch empor zum Piesenkopf noch einen vollen Einsatz ab. Während des Höhersteigens rücken immer mehr die silbern schimmernden Spitzen der wie zu einer Perlenkette aufgereihten Allgäuer Hochalpen ins Blickfeld.
Autor: Herbert Mayr